Augenwischerei, unter Umständen gut gemeint

 

Mit großer Betroffenheit und Sorge haben die zahlreich bei uns niedergelassenen syrischen Flüchtlinge die Nachrichten über das Erdbeben in ihrem Heimatland aufgenommen. Fast alle der hier lebenden Syrer haben Verwandte und Freunde in der betroffenen Region und viele haben auch Tote zu beklagen.

Die Hilfsbereitschaft ist groß, so gab es z.B. umfangreiche Sammelaktionen u.a. von Kurdischen Kulturvereinen. Einige bei uns niedergelassene Flüchtlinge sind auch bereit und in der Lage, Verwandte aufzunehmen, aber die von der Bundesregierung verkündete „Erleichterung“ bei der Visum-Beantragung ist zwar politisch motiviert, aber praktisch nicht umsetzbar.

Die Anforderungen an ein Visum werden nicht geändert, es wird lediglich zugesagt, schneller zu erteilen. Nun gibt es in Syrien keine deutsche Botschaft. Syrische Antragsteller müssen eine deutsche Botschaft z.B. im Libanon, in Jordanien oder in der Türkei aufsuchen. Da die Erdbebengebiete von außen auch bislang nur schwer zugänglich sind, ist es auch kaum möglich, diese zu verlassen. Menschen, deren Häuser zerstört sind oder nicht mehr betreten werden können, verfügen zudem i.d.R. nicht über ihre Pässe. Auch der Transfer von Geldmitteln ist so gut wie unmöglich.

Selbst für Erdbebenopfer aus der Türkei sind bis Ende Februar erst gut 110 Visa erteilt worden. Bis auf weiteres werden sich unsere syrischen Mitbewohner wohl nur sehr selten über Besuch von Erdbebenopfern freuen können.

Die einladenden Angehörigen in Deutschland müssen für die gesamten Kosten der An- und Rückreise sowie der Unterbringung und Krankenversorgung aufkommen und zudem noch eine Bürgschaft von 500 € pro Gast und Monat übernehmen. Die sog. „Beschleunigung“ des Visaverfahrens wird dadurch konterkariert, dass die aufnahmewilligen Menschen erst einen Termin bei den zuständigen Ausländerbehörden machen müssen, um die geforderten Verpflichtungserklärungen abgeben zu können. Aus der bisherigen Praxis ist bekannt, dass dies mehrere Wochen dauern kann.

Wie so oft werden die Prozeduren der praktischen Umsetzung vernachlässigt, die politische Willensbekundung bleibt plakativ. „Das Gegenteil von gut ist auch nicht gut gemeint, sondern gleichgültig“ schreibt Fatma Aydemir in der Wochentaz vom 25. Februar (S. 16). Viele Betroffene werden leider zu diesem Resultat kommen.

 

Frank Schöler