Immer mehr Bürger unseres Landes fühlen sich offenbar berufen, das Vaterland vor der Überflutung und der handstreichartigen Machtübernahme durch Flüchtlinge zu bewahren. So auch ein Wohnungseigentümer, der die Bewerbung eines minderjährigen Mädchens, deren nächste Angehörige im Zuge einer Familienzusammenführung nach Deutschland kommen, um eine Wohnung angelehnt hat.
Er vertritt die Auffassung, dass minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge Betrüger sind, die das Asylrecht missbrauchen, dabei von Behörden und anderen Helfern unterstützt werden und eine illegale Masseneinwanderung verursachen. Das entspricht so ungefähr den Verschwörungsszenarien der rechtspopulistischen Fake-News-Kanäle oder dem Bild, das Donald Trump von Deutschland hat. Damit aber nicht genug. Der Vermieter hält auch den IS in Syrien für besiegt und das Land für weitgehend sicher. Somit steht also der Rückkehr des Mädchens in seine Heimat nichts im Wege und sie kann sich dort mit ihrer Familie wieder vereinigen.
Auch diese Sichtweise kann eigentlich nur aus den rechtsradikalen Netzwerken kommen, denn außer von der AfD hat man solche Ansichten noch nicht vernommen (siehe Blogbeitrag vom 15.03.2018). Können wir uns also damit begnügen, dem Vertreter der Haus- und Wohnungseigentümer bodenlose Unwissenheit zu attestieren, oder ist es doch eher abgrundtiefe Ignoranz und Rassismus ?
Der Rassismus war in Deutschland immer präsent, als die ersten Gastarbeiter aus dem Mittelmehrraum auftauchten, die ersten muslimischen Gastarbeiter, die vietnamesischen Boatpeople, die Flüchtlinge aus dem Jugoslawienkrieg, immer war Ausländerfeindlichkeit spürbar und immer gewannen rechtsradikale Parteien Stimmen. Nur gab es in der Vergangenheit eine gewisse Scham, diese Ansichten unverhohlen öffentlich Kund zu tun. Es gab noch Hemmschwellen, da man wusste, dass dies nicht opportun war nach Nationalsozialismus, Holocaust und Einführung des Grundgesetzes. Diese Hemmschwellen sind aber inzwischen gesunken, Politiker der etablierten Parteien fallen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in den Rücken, rechtsradikale Rassisten und Faschismus-Sympathisanten sitzen in deutschen Parlamenten und können relativ unbedrängt äußern, dass der Nationalsozialismus einschl. 6 Millionen pulverisierter Juden ein Vogelschiss der Geschichte war (Zitat Volksgenosse Gauland, heute AfD).
Mit Verwunderung stellen viele Menschen, die unsere Demokratie schätzen, fest, wie wenig verankert diese in unserer Gesellschaft ist, und vor allem, wie wenig verankert in den Köpfen von führenden Politikern. Der Machterhalt ist alle Mal wichtiger als die Verteidigung des Rechtsstaats und Achtung des Grundgesetzes. Die Grundrechte müssen einstweilen die aufrechten Bürger verteidigen, die Zivilgesellschaft war nie so wichtig wie jetzt.
Frank Schöler